In der praktischen Ausführung ist die anthroposophische mit der konventionellen Medizin verbunden und ergibt gemeinsam mit ihr eine Form der Integrativen Medizin. Die Anthroposophische Medizin hat hierbei eine eigene konzeptionelle und methodische Basis und ist in diesem Sinne ein eigenständiges Therapiesystem (Whole Medical System). Hierfür gibt es in Deutschland den Terminus der „Besonderen Therapierichtung“. Er wurde im Kontext des deutschen Arzneimittelgesetzes geprägt und dann in das Sozialgesetzbuch übernommen. Die Bedeutung dieses Begriffs erstreckt sich auf das Verständnis von
Diese Aspekte der AM werden im Folgenden kurz charakterisiert.
Organismus
Das Organismusverständnis der Anthroposophischen Medizin weicht von jenem reduktionistisch-atomistischen Paradigma ab, das die gesamte Lebenswelt auf der Grundlage von atomar-molekularen Wechselwirkungen zu erklären versucht. Der Grund für die Abweichung vom Reduktionismus-Paradigma sind dessen Gültigkeitsbeschränkungen. Dieses Paradigma ist außerstande, die Gestaltbildung und -erhaltung von komplexen funktionsfähigen Organismen zu erklären. Die Anthroposophischen Medizin geht folgendermaßen über dieses Paradigma hinaus:
Nachzulesen in folgender IFAEMM-Publikation (1, 2):
Die genannten Punkte 1-3 konstituieren ein besonderes Psychosomatik-Verständnis oder besser gesagt ein konkretes Interaktions-Verständnis für Körper, Seele und Geist. Dieses Interaktions-Verständnis kulminiert in dem Konzept der Dreigliederung des menschlichen Organismus. Die betreffenden drei Glieder werden als „Nerven-Sinnes-System“, „Rhythmisches System“ und „Stoffwechsel-Gliedmaßen-System“ benannt, was für die herkömmliche Sicht auf Natur und Mensch ungewohnte Bezeichnungen sind. Diese drei Glieder umfassen die Physiologien der betreffenden Organe (Sinnesorgane, Gliedmaßenorgane, Nerven usw.), die betreffenden Prozesse (Wahrnehmungsprozesse, rhythmische Prozesse, Stoffwechselprozesse usw.) und vor allem auch die mit diesen Organen und Prozessen verbundenen Gestaltungskräfte und -prinzipien.
Das Dreigliederungskonzept erstreckt sich auch auf die Funktionen und Strukturen konkreter Einzelorgane und bietet hierbei ein großes Potential für neue Entdeckungen. Exemplarisch wurde dies dargestellt für die Kardiologie (1):
Krankheit
Aus dem genannten Organismusverständnis ergibt sich ein erweitertes Verständnis auch von Krankheit. Eine Krankheit ist hiernach nicht nur ein Defekt auf zellulärer und molekularer Ebene (Zellularpathologie, Molekularpathologie), sondern betrifft auch die Ebene der gestaltbildenden und -erhaltenden Kräfte und somit die real übergeordneten Regulationsebenen.
Diese Sicht von Krankheit wird auch durch die naturwissenschaftliche Forschung nahegelegt, beispielsweise für den Bereich der Onkologie (1, 2):
Diagnostik
Das erweiterte Verständnis von Organismus und Krankheit schlägt sich in einer entsprechenden Theorie und Praxis der Diagnostik nieder. Herkömmlich ist eine Diagnose die Benennung einer schwerwiegenden strukturellen oder funktionellen Beeinträchtigung eines Organs oder eines Zell- oder Molekülverbands oder die Benennung einer schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigung. Nach anthroposophischem Verständnis gehört zu einer Diagnose auch ein Erkennen der beeinträchtigten Konstellation der Gestalt- bzw. Innerlichkeit-bildenden Kräfte des betreffenden individuellen Patienten. Eine derartige Diagnose bewegt sich jenseits des Rahmens der International Classification of Diseases (ICD).
Therapie
Dem erweiterten Organismus-, Krankheits- und Diagnoseverständnis folgen auch die Therapien. Ihr primärer Fokus liegt auf der Ebene der Regulation des Organismus durch die genannten Gestaltungskräfte. Dies gilt sowohl für die nicht-pharmakologischen Therapien (z. B. Eurythmietherapie, Rhythmische Massage, Kunsttherapie) als auch für pharmakologische Therapien. Hierdurch unterscheidet sich die anthroposophische Arzneitherapie gegenüber der konventionellen wie folgt:
Evaluation der Therapie, insbesondere der Arzneitherapie
In der konventionellen Medizin erfolgt die Entwicklung und Erforschung von Arzneimitteln meist
Für die Anthroposophische Medizin hat die präklinische und klinische Forschung allerdings – wegen der o.g. Punkte 1-4 (Organismus, Krankheit, Diagnostik, Therapie) – eine andere Funktion und Struktur:
Präklinische Laborforschung
Klinische Forschung
Wegen der beschränkten Übertragbarkeit präklinischer Forschungsergebnisse auf die reale therapeutische Situation am Menschen ist zusätzlich eine originär klinische Forschung erforderlich. Durch sie entsteht die sogenannte Evidenz-basierte Medizin. Deren maßgebliche Faktoren sind die externe Evidenz aufgrund von formalisierter Forschung und die ärztliche Expertise (sowie die Patientenperspektive). Wegen der oben genannten Punkte 1-5 ist für die Evidenzbasierung der anthroposophischen Medizin eine besondere Art der gegenseitigen Gewichtung von externer Evidenz und ärztlicher Expertise notwendig. Hierfür ist – zusätzlich zu den oben skizzierten Erweiterungen des Verständnisses von Organismus, Krankheit, Diagnose und Therapie – auch eine erweiterte Methodologie der Therapieevaluation nötig.
Der Leser wird deshalb verwiesen auf das Kapitel:
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